Eine Handvoll Fragen zum Ganztag in Brandenburg
Der Ganztag ist ein bildungspolitisches Vorhaben mit hohem Stellenwert und mit der Einführung des Rechtsanspruches ab 2026 bundesweit in den Fokus gerückt. Das BMBF hat dazu aktuell für die Kommunen eine neue Förderrichtline „Ganztag in Bildungskommunen“ aufgelegt. Wir haben Karen Dohle, Fachberaterin für Ganztag und Inklusion bei der Regionalen Entwicklungsagentur für kommunales Bildungsmanagement (REAB) Brandenburg befragt, wie die aktuellen Rahmenbedingungen für den Ganztag in Brandenburg sind, welche Herausforderungen sich bei der Umsetzung zeigen und wie die REAB Brandenburg unterstützen kann.
1. Wie ist der aktuelle Sachstand in Brandenburg und welche Regelungen und Qualitätsstandards gibt es bereits für die Ganztagsstandorte?
In Brandenburg haben wir bereits durch die verpflichtende Kooperation von Schule, Jugendhilfe und weiteren Partnern, die in der Verwaltungsvorschrift Ganztag festgeschrieben ist, ein gutes Fundament, um die Bildung über den ganzen Tag zu gestalten. Dort sind auch Standards für eine breite Beteiligung – inklusive der Kinder und Jugendlichen – bei der Konzeptentwicklung und die Qualitätsentwicklung durch Evaluation und Auswertungsgespräche beschrieben. Bereits jetzt gibt es hohe Beteiligungsquoten von Kindern im Grundschulalter, sowohl in den Ganztagsangeboten und auch in den Horten in Brandenburg. Das spricht sowohl für einen hohen Bedarf an ganztägigen Bildungsangeboten als auch für eine große Akzeptanz.
2. Eine partnerschaftliche Kooperation der verschiedenen Akteure, die den Ganztag gestalten, ist ein Erfolgskriterium für Ganztag.
Was genau heißt das für die Zusammenarbeit?
Die Kooperation in multiprofessionellen Teams ist ein entscheidendes Qualitätsmerkmal für die ganztägige Bildung, aber gleichzeitig ist es auch das herausforderndste Element. Das haben mehrere wissenschaftliche Studien zum Ganztag gezeigt. Partnerschaftliche Kooperation oder auch kokonstruktive Zusammenarbeit bedeutet, dass alle Partner aus Schule, Jugendhilfe und aus vielen anderen Bereichen sich an einem gemeinsamen Ziel orientieren, ihre Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen wertschätzen und anerkennen und bereit sind ihre unterschiedlichen Sichtweisen auszutauschen und voneinander zu lernen. Das gilt für die Kooperation vor Ort ebenso wie für die Kooperation der Ressorts und Ämter in den Kommunen und nicht zuletzt auch auf Landes- und Bundesebene.
3. Was sind die konkreten Herausforderungen, vor denen die Kommunen in Brandenburg stehen und welche Themen werden von ihnen als zentral benannt?
Wir haben die Brandenburger Kommunen kürzlich zu einem Austausch eingeladen, um herauszufinden, welche Herausforderungen sie sehen. Aus Sicht der REAB Brandenburg zeigen sich Herausforderung in einer kommunalen Koordinierung. Dazu wurden wesentliche Elemente benannt:
- Der Aufbau, die Etablierung und Verstetigung von tragfähigen ressortübergreifenden Strukturen in den Kommunen. Zur Koordinierung der ganztägigen Bildung müssen dafür die Bereiche Schule, Kinder- und Jugendhilfe, Soziales, Bau- und Grünflächen, Sport, Kultur und auch Gesundheit in den Kommunen zusammenarbeiten. Bereiche, denen manchmal gar nicht bewusst ist, wieviel sie mit der Bildung zu tun haben.
- Die Einbindung und Beteiligung aller Akteure aus der Zivilgesellschaft, von Eltern und ganz besonders von Kindern und Jugendlichen selbst, ist notwendig für die Etablierung eines bedarfsgerechten, verlässlichen und qualitätvollen Angebots in der Region.
- Und nicht zuletzt die Aufbereitung von Daten und Konzipierung eigener Erhebungen für eine transparente Information und als Grundlage für kommunale Entscheidungen.
Was die Kommunen aber auch umtreibt, sind praxisnahe Fragen der Verbesserung der Kooperation, die inklusive ganztägige Bildung, die Ferienbetreuung, die Sicherung der Qualität – vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, organisatorische Aspekte und konkrete Förderungen für den Ganztag.
4. Damit nicht jeder das Rad neu erfinden muss, ist es wichtig Netzwerkstrukturen zu etablieren, die die Möglichkeit bieten, gemeinsam Lösungen zu finden und gute Beispiele bekannt zu machen. Das ist ein Arbeitsschwerpunkt der REAB Brandenburg.
Was können Sie den Kommunen hier anbieten?
Die regionale Entwicklungsagentur organisiert den Erfahrungsaustausch mit Bildungsverantwortlichen anderer Kommunen und ermöglicht Einblicke in innovative Ideen und kommunale Lösungsansätze. Hierfür arbeiten wir im Fachnetzwerk kommunales Bildungsmanagement des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und binden unsere Expertise als Projektverbund kobra.net im Land Brandenburg ein.
Im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit können wir Kommunen bei der Entwicklung des Ganztags mit einem Service aus Prozessbegleitung, Fachberatung, interkommunalem Austausch, Vernetzung und Wissenstransfer unterstützen.
Zur personellen Unterstützung der Koordinierung des Ganztages in der Kommune gibt es die Förderrichtlinie „Ganztag in Bildungskommunen“. Für Investitionen in ganztägige Bildung und Betreuung gibt es zusätzlich die investive Förderrichtlinie das Landes Brandenburg, über die Schul- und Kitaträger Gelder beantragen können.
5. Im September 2024 traf sich die Transferinitiative kommunales Bildungsmanagement in Berlin zur Bundeskonferenz „Kommunale Bildungslandschaften für morgen“. Mit Philipp Kikels, Koordinator der Ganztagsangebote in Ziesar und Görzke im Landkreis Potsdam-Mittelmark, führten Sie dort ein Interview über die Weiterentwicklung qualitativer Ganztagskonzepte. Welche innovativen Ideen zeichnen den Landkreis und den Ganztag in Ziesar und Görzke aus?
Der Landkreis Potsdam-Mittelmark hat das Konzept der IKTB, der Integrierten KinderTagesBetreuung als Ganztagsmodell in Kooperation mit Grundschulen entwickelt. Vonseiten des Landkreises wurden in einer Arbeitsgruppe mit Beteiligten aus Jugendhilfe, Schule und von Eltern verbindliche Qualitätsstandards formuliert. Die Finanzierung des Ganztagsstandortes erfolgt durch finanzielle Mittel des Landes, des Jugendamtes und der kreisangehörigen Kommune. Für die Familien ist das Angebot in Ziesar weitgehend kostenfrei und alle Kinder nehmen an dem freiwilligen Angebot teil.
Im Amt Ziesar wird in einem festangestellten Pädagog*innenteam eine beispielhafte Kooperation mit dem Schulzentrum und Akteur*innen des Sozialraums gepflegt. Besonders ist der ganztägige Blick auf das einzelne Kind. So kommen die Pädagog*innen der ITKB auch während der Unterrichtszeit zum Einsatz. Am Nachmittag gestalten Lehrkräfte den Ganztag genauso mit wie ortsansässige Vereine, die Feuerwehr oder die Kreismusikschule. Auch Schüler*innen können Arbeitsgruppen, begleitet durch die Pädagog*innen, umsetzen. Schülerpraktikant*innen können testen, ob sie selbst den Beruf der Sozialpädagog*in oder Erzieher*in wählen möchten. Einblicke in die Arbeit des IKTB in Ziesar-Görzke bietet dieser RAP-Song. Für Fragen zu Konzept und Umsetzung ist Herr Kikels gern erreichbar E-Mail: iktb@tmg-ziesar.de