Eine Handvoll Fragen an die lkj Brandenburg zur Kulturellen Bildung vor Ort
Kulturelle Bildung ist eine zentrale Grundlage dafür, dass Menschen Kreativität entwickeln, Demokratie erfahren und ihre Lebenswelt aktiv mitgestalten können. Sie schafft Zugänge zu Teilhabe und Selbstwirksamkeit – unabhängig von Herkunft oder Wohnort.
Im Interview mit Anna Behrend, Geschäftsführung der lkj Brandenburg, dem Dachverband der Kulturellen Kinder- und Jugendbildung im Land, sprachen wir darüber, wie dieses Verständnis in der Praxis umgesetzt wird. Im Mittelpunkt des Gesprächs stand das demokratische Selbstverständnis des Verbands, seine Netzwerkarbeit sowie Projekte zur Verankerung kultureller Bildung vor Ort. Zudem wurde auf aktuelle Herausforderungen und Zukunftsperspektiven für kulturelle Bildung in Brandenburg geblickt.
© kobra.net
Kommunen
stärken
Impulse
geben
Vernetzung
fördern
1. Was ist das zentrale Selbstverständnis der lkj Brandenburg – wofür stehen Sie und welche Rolle spielt dabei die Kulturelle Bildung?
Wir sind der Dachverband für Kulturelle Kinder- und Jugendbildung in Brandenburg. Für die lkj ist ihre demokratische Verfasstheit als zivilgesellschaftlicher Verband zentral. Die Mitglieder bestimmen über die Inhalte und Tätigkeiten, denen sich der Verband widmen soll. Genau dafür ist die lkj da: Akteur*innen der Kulturellen Kinder- und Jugendbildung unter einem Dach zu versammeln, ihre Themen und Interessen zu bündeln und nach außen zu vertreten sowie sie in ihrem Handeln zu unterstützen.
Dabei geht es immer darum, die Angebotslandschaft Kultureller Bildung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu stärken. Alle jungen Menschen, egal ob sie in der Stadt oder im Dorf wohnen und welche Voraussetzungen sie mitbringen, sollen leichten Zugang zu Kultureller Bildung haben und sich entlang ihrer Interessen entwickeln können.
Die lkj setzt dafür auch eigene Projekte um. Zwei Beispiele: In den Freiwilligendiensten können junge Menschen sich ein Jahr lang in Einsatzstellen aus Kultur, Bildung oder im kulturorientierten Handwerk ausprobieren und sich beruflich orientieren. Mit dem Projekt RaumPioniereZukunft begleiten wir jedes Jahr in drei Brandenburger Kommunen Kinder und Jugendliche bei der Frage, was sie bei sich vor Ort verändern wollen und wie sie diese Veränderungen kreativ gestalten können.
2. Wie ist die lkj Brandenburg aufgebaut und mit welchen Partner*innen, Netzwerken und Projekten arbeiten Sie zusammen, um Kulturelle Bildung im Land zu fördern?
Unsere Mitgliedschaft spiegelt die Vielfalt Kultureller Bildung wider: von Musik über Theater, Zirkus, Bildende Kunst, Literatur, Soziokultur, kultureller Medienbildung bis hin zur Architektur versammeln sich unterschiedliche Sparten und Akteur*innen bei der lkj. Hinter unseren Mitgliedsorganisationen und -verbänden versammeln sich über fünfhundert Kultureinrichtungen und engagierte Vereine, wir kooperieren mit über einhundert Einsatzstellen in den Freiwilligendiensten und arbeiten darüber hinaus mit zahlreichen Partner*innen aus Kultur, Jugendarbeit, Bildung und Handwerk zusammen.

Kulturelle Bildung bewegt sich zwischen den Bereichen Kultur, Bildung und Jugend. Daran lässt sich schon sehen, dass es immer auch gute Kooperationen braucht. Die lokalen Akteur*innen wissen das am allerbesten, wenn es zum Beispiel um die konkrete Zusammenarbeit zwischen Kulturschaffenden mit Schulen oder der örtlichen Jugendarbeit geht.
Auch übergreifende Netzwerkarbeit ist unerlässlich, um Kulturelle Bildung zu fördern. Die lkj ist daher sowohl im Arbeitskreis der kulturellen Landesverbände Brandenburg als auch in einem Zusammenschluss aus Brandenburger Jugendverbänden aktiv. Auch im Bereich der Freiwilligendienste sind wir vernetzt, beispielsweise im Landesarbeitskreis. Und da ehrenamtliches Engagement eine sehr wichtige Stütze für Kulturelle Bildung ist, besonders im ländlichen Raum, ist die lkj auch im Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement vertreten.
Selbstverständlich ist für uns auch der Blick über die Grenzen Brandenburgs hinaus zentral: Wir nehmen sehr viel mit aus der Zusammenarbeit in unserem Dachverband, der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, in der wir unter anderem an verschiedenen Fachausschüssen teilnehmen. Auch der Austausch mit Landesverbänden anderer Bundesländer ist für uns essenziell. Es ist immer wieder spannend zu schauen, welche Lösungen für ähnliche Probleme in anderen Bundesländern gefunden werden. Nicht selten können wir daraus gute Ideen für Brandenburg mitnehmen.
3. Welche Bedeutung haben Kommunen und lokale Akteur*innen für Ihre Arbeit und wie gelingt es Ihnen, Kulturelle Bildung vor Ort zu verankern?
Letztlich geht es immer darum, dass die Ergebnisse unserer Arbeit auf der lokalen Ebene ankommen, unabhängig davon, ob es um Angebote für unsere Mitglieder oder eigene Projekte geht. Wir haben einige lokale Vereine und Einrichtungen in unserer Mitgliedschaft und auch darüber hinaus wenden sich Akteur*innen an die lkj, beispielsweise wenn sie Beratung bei der Suche nach Fördermitteln brauchen.
Im Projekt RaumPioniereZukunft arbeitet die lkj auch gezielt mit Kommunen zusammen, besonders mit Blick auf das Zusammenwirken von Jugendbeteiligung und Kultureller Bildung. Seit 2016 nehmen jedes Jahr drei Kommunen daran teil und geben Kindern und Jugendlichen vor Ort den Raum und die Ressourcen, ihre eigenen Ideen kreativ umzusetzen und sich aktiv zu beteiligen. Wir führen in dem Zuge viele Gespräche mit kommunalen Vertreter*innen sowie Akteur*innen aus den unterschiedlichsten Bereichen vor Ort. Daraus entstehen Netzwerke von Engagierten, die bereit sind, etwas Neues auszuprobieren. Und genau diese Netzwerke braucht es, um vor Ort nachhaltig die Weichen für kinder- und jugendgerechte Kommunen zu stellen, zu denen wesentlich auch Angebote Kultureller Bildung gehören.
4. Welche Themen und Strategien stehen aktuell im Mittelpunkt Ihrer Arbeit, um Kulturelle Bildung in Brandenburg weiterzuentwickeln?
Auch in der Kulturellen Bildung geht es, wie in vielen zivilgesellschaftlichen Bereichen, aktuell häufig um Fragen der Zukunftssicherung angesichts zunehmender Unsicherheiten, sei es aufgrund von knapper werdenden Fördermitteln, dem Erstarken antidemokratischer Kräfte oder Nachwuchsproblemen in Vereinen und Einrichtungen. Hier möchten wir in Zukunft mehr beraten und vernetzen: Welche Finanzierungsmöglichkeiten habe ich als Verein? Wohin kann ich mich als einzelne Akteur*in wenden, wenn ich mich Anfeindungen ausgesetzt sehe, und wie kann ich mich mit anderen vernetzen? Wie lassen sich Kulturelle Bildung und Demokratiebildung zusammendenken? Auch das Thema Kinderschutz in der Kulturellen Bildung spielt eine große Rolle in unserer Arbeit. Wir erarbeiten momentan ein Schutzkonzept für die lkj und möchten zukünftig auch in dem Bereich Akteur*innen mit Beratung und Fachimpulsen unterstützen.
„Letztlich geht es immer darum, dass die Ergebnisse unserer Arbeit auf der lokalen Ebene ankommen, unabhängig davon, ob es um Angebote für unsere Mitglieder oder eigene Projekte geht.“
Anna Behrend

Mit Blick auf all diese Themen ist es uns ein besonderes Anliegen, die Netzwerke, die im Rahmen unserer Projekte entstehen, längerfristig zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die Akteur*innen auch nach dem Ende starrer Projektlogiken miteinander wirken und untereinander kooperieren – am besten direkt mit jungen Menschen zusammen. Und nicht zuletzt möchten wir weiter die Bandbreite an Einsatzstellen für unsere Freiwilligendienste erweitern. Hierfür sind wir immer auf der Suche nach neuen Einrichtungen, die sich vorstellen können, junge Menschen bei sich als Freiwilligendienstleistende aufzunehmen.
Diese große Vielfalt ist Chance und Herausforderung zugleich. Die lokalen Bildungsexperimente sind immer der Gefahr der Kurzatmigkeit und Kurzlebigkeit ausgesetzt. Damit erfolgreiche lokale Experimente nicht wirkungslos verpuffen, müssen aus meiner Sicht mehrere Bedingungen gegeben sein: die Vernetzung von Akteur*innen sowohl am Ort als auch überörtlich, der gegenseitige Austausch und das gemeinsame Lernen sowie die (personelle und finanzielle) Nachhaltigkeit von Projekten. Das Ziel muss es sein, eine nachhaltige Reformbewegung zu initiieren, die gemeinsam „von unten“ einen Lernprozess auslöst und vorantreibt, der zu einer dauerhaften Umgestaltung des deutschen Bildungswesens führt.
5. Wenn Sie an die kommenden Jahre denken: Welche neuen Wege braucht es, damit Kulturelle Bildung in Brandenburg noch stärker Wirkung entfalten kann und welche Rolle kann die lkj übernehmen?
Vielen Akteur*innen fehlt es an Grundförderung ihrer Arbeit und längerfristigen Perspektiven in der Finanzierung. Unbürokratischere Förderprogramme, mehr Pauschalen, beispielsweise für die Verwaltungsaufwände, die besonders kleine Vereine und Einzelpersonen enorm belasten können, oder auch mehrjährige Förderungen könnten Bausteine sein, um den Engagierten mehr Sicherheit und Planungsmöglichkeiten zu verschaffen.
Mit Blick auf Schulen und den Ganztag im Speziellen muss Kulturelle Bildung noch mehr in den Fokus rücken. Musikkurse, Zirkus-AGs und theaterpädagogische Angebote sind keine Lückenfüller, sondern bilden zentrale Räume, in denen Bildungsprozesse stattfinden.
Und auch mit Blick auf den ländlichen Raum haben wir bislang noch wenig Lösungen, wie wir die Infrastruktur vor Ort und damit auch die Erreichbarkeit von Angeboten Kultureller Bildung für Kinder und Jugendliche verbessern. Da der Ausbau des ÖPNV, um die Mobilität von Kindern und Jugendlichen zu vereinfachen, leider zu wenig stattfindet, könnten wir stattdessen beispielsweise versuchen, mehr mobile Angebote zu schaffen. Die lkj versteht sich an all diesen Punkten als Verband, in dem entsprechende Konzeptideen entwickelt werden und Modellprojekte initiiert werden können.
