Eine Handvoll Fragen zur Stärkung des ländlichen Raums durch ehrenamtliche Bildungsausschüsse

Good-Practice-Beispiele für Bildungsinitiativen im ländlichen Raum gibt es in Brandenburg einige, doch auch der Blick in andere Regionen lohnt sich. Wenn wir auf den deutschsprachigen Tellerrand schauen, gibt es auch dort Erfolgsrezepte, die erwähnenswert sind. So haben sich in wenigen Jahrzehnten im italienischen Südtirol Bildungsausschüsse etabliert, ohne die Weiterbildung heute in Südtirol undenkbar wäre. Eine Schlüsselrolle im Südtiroler Modell haben die Bezirksservicestellen, die diese Gremien begleiten und beraten. Matthias Oberbacher, Bezirksservicestelle Eisacktal/Wipptal, erklärt in seinen fünf Antworten, warum die Idee von ehrenamtlichen Bildungsausschüssen vielversprechend ist.

Kommunen

stärken

Impulse

geben

Vernetzung

fördern

Ich denke, Südtirol zeichnet sich durch ein breit vernetztes System von Bildungsinitiativen aus, das selbst entlegene Dörfer erreicht und damit auch den ländlichen Raum aktiv einbezieht. Neben den fünf klassischen Bildungshäusern verfügt Südtirol über eine Vielzahl an Weiterbildungsorganisationen, die sowohl zentrale als auch dezentrale Angebote bereitstellen. Die rechtliche Grundlage bildet das Weiterbildungsgesetz Nr. 41, das bereits 1983 in Kraft trat. Es regelt nicht nur die Weiterbildung, sondern sieht auch deren finanzielle Förderung durch öffentliche Mittel vor.

Die Bildungsausschüsse sind Zusammenschlüsse ehrenamtlich engagierter Personen in den Dörfern Südtirols, die die Weiterbildung vor Ort koordinieren und fördern. Sie erfassen die Bildungsbedürfnisse der lokalen Bevölkerung und setzen sich dafür ein, diese in konkrete Angebote umzusetzen. Rechtlich gesehen handelt es sich beim Bildungsausschuss um einen Verein, der auf Grundlage eines Statuts organisiert ist. Wichtig hierbei ist die Zusammensetzung aus mindestens drei Repräsentant*innen: Jeweils eine Person muss der ansässigen Bibliothek, der örtlichen Schule und der Gemeinde angehören. So können Bildung, Kultur und Politik gemeinsam Möglichkeiten erschließen und Ziele setzen.

Die Finanzierung erfolgt über öffentliche Beiträge. Die Ausschüsse erhalten eine Pro-Kopf-Pauschale auf Basis der Einwohnerzahl. Diese beträgt insgesamt 3 Euro pro Person und wird je zur Hälfte vom Land und von der jeweiligen Gemeinde getragen.

In Südtirol gibt es derzeit 140 Bildungsausschüsse in 116 Gemeinden. Das bedeutet, dass es mehr Bildungsausschüsse als Gemeinden gibt – ein Umstand, der darauf zurückzuführen ist, dass viele Gemeinden mehrere Dörfer umfassen. Daraus lässt sich bereits die große Reichweite und Bedeutung der Arbeit der Bildungsausschüsse ableiten.

Die Bildungsausschüsse sind zentrale Akteur*innen für die Pflege und den Erhalt der örtlichen Bildungslandschaft. Sie bringen Leben in die Dörfer, organisieren vielfältige Bildungs- und Kulturinitiativen und fördern damit nicht nur das lebenslange Lernen, sondern auch das soziale Miteinander. Durch ihre Arbeit stärken sie die Gemeinschaft und leisten einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung im ländlichen Raum.

Ein Bildungsausschuss setzt sich zusammen aus mindestens jeweils einer*einem Vertreter*in der Schule, der örtlichen Bibliothek und des Gemeinderates. Dazu kommen Vertreter*innen von Vereinen und interessierte Bürger*innen. Mit dieser Zusammensetzung wird gewährleistet, dass sowohl Privatpersonen als auch Personen aus dem öffentlichen und politischen Leben am Bildungsausschuss teilnehmen und sich diesbezüglich auch einbringen können. Dabei wird je nach Statut alle 3 oder 5 Jahre ein Vorstand gewählt, der ehrenamtlich die Arbeiten des Bildungsausschusses leitet.

Begleitet werden die Bildungsausschüsse von den hauptamtlichen Bezirksservicestellenleiter*innen, die die Arbeit der Bildungsausschüsse unterstützen und begleiten. Diese motivieren die Ehrenamtlichen, sind Impulsgeber*innen und Ansprechperson für die Bildungsausschüsse selbst, für die Gemeinden und für das Amt für Weiterbildung.

Zusätzlich zur Basisfinanzierung haben die Bildungsausschüsse die Möglichkeit, beim Amt für Weiterbildung gezielt Projekte einzureichen, um besonders innovative Bildungsmaßnahmen zu fördern. Diese Fördermöglichkeit eröffnet Raum für kreative und zukunftsorientierte Ideen, die immer wieder in beeindruckender Weise umgesetzt werden.

© Screenshot Weiterbildungsportal der Autonomen Provinz Bozen – Südtirol

In den letzten Jahren ist dabei ein klarer Trend erkennbar: Besonders gefragt sind Projekte mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit sowie Beteiligungsinitiativen, die die lokale Bevölkerung aktiv einbinden und zur Mitgestaltung motivieren. Daneben gibt es zahlreiche Vorhaben, die sich dem Erhalt von traditionellem Wissen, altem Brauchtum und kulturellem Erbe widmen – und damit einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der regionalen Identität leisten.

Diese Vielfalt zeigt, wie dynamisch und engagiert die Bildungsausschüsse arbeiten – stets nah an den Bedürfnissen der Menschen und mit einem offenen Blick für gesellschaftliche Entwicklungen.

Der Bildungsausschuss Natz-Schabs hat vor zwei Jahren das Projekt „Natz-Schabs beteiligt sich“ durchgeführt. Ziel des Projekts ist es, die Bürger*innen und Stakeholder durch verschiedene Events für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren und sie mittels Partizipationskonzepten aktiv einzubeziehen. Die daraus gewonnenen Empfehlungen wurden dann dem Gemeinderat vorgelegt.

Der Bildungsausschuss Ploseberg hat sich im Projekt „Sieben Quellen der Kraft“ mit Frauen und ihren ganz persönlichen Kraftquellen in schwierigen Zeiten auseinandergesetzt. Sieben Sitzbänke in und um das Dorf St. Andrä verweisen auf die Erzählungen der Frauen. Dabei ist jede einzelne Bank mit einem passenden Spruch geschmückt und verfügt über einen QR-Code, der direkt auf eine Webseite mit dem Text und dem Audio der Erzählung verlinkt. Interessierte können die Texte also nicht nur lesen, sondern auch anhören.

Informationen zu Weiterbildung und Bildungsangebote der Region Südtirol sind auf dem landeseigenen Bildungsportal zu finden.

Ich kann es nur immer wieder betonen: Bildungsarbeit muss dort stattfinden, wo die Menschen leben. In unserer schnelllebigen und oft von Zeitdruck geprägten Gesellschaft ist es unrealistisch zu erwarten, dass Menschen weite Strecken auf sich nehmen, nur um an Weiterbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Die Idee, dass jemand stundenlang anreist, um sich mit einem Bildungsthema auseinanderzusetzen, entspricht längst nicht mehr der Lebensrealität vieler Menschen – insbesondere im ländlichen Raum.

Deshalb muss sich die Bildungsarbeit den Gegebenheiten vor Ort anpassen. Oder, um es bildhaft zu sagen: Wenn der Mensch nicht zum Berg kommt, muss der Prophet zum Berg gehen. Es gilt, Strukturen zu schaffen, die es den Menschen ermöglichen, sich selbstbestimmt und wohnortnah weiterzubilden.

Ein zentrales Ziel muss also sein, Räume und Rahmenbedingungen zu entwickeln, in denen sich Menschen in ihren eigenen Dörfern organisieren und Bildungsangebote selbst gestalten können – niederschwellig, praxisnah und lebensnah. Nur so kann eine nachhaltige, lebendige und tatsächlich zugängliche Weiterbildung für alle gesichert werden.