„Wir sind stolz auf unsere Bildungsinitiative Barnim“ – Kommuneninterview mit dem Landkreis Barnim

Dr. Christine Schäfer und Renate Wolter verlieren nie das Ziel aus den Augen. Ein Gespräch über die erfolgreiche Bildungsarbeit im Landkreis Barnim und die Frage, warum sich ein individueller Blick immer lohnt.

Das Paul-Wunderlich-Haus in Eberswalde ist eine ganz besondere Verwaltungsbehörde. Stetig wechselnde Ausstellungen mit Werken von Paul-Wunderlich, große geräumige Etagen und Büros, in die jede*r hineinschauen kann; das ist gelebte Transparenz. Es gibt viel Glas und viel Kunst: „Einige Kolleg*innen mussten sich an diese
klare Architektur erst gewöhnen.“ Renate Wolter hingegen freundet sich gerade mit ihrem Ruhestand an. Nach 44 Jahren ist jetzt Schluss.

Renate Wolter leitete das Jugendamt des Landkreises und baute 2009 das „Sachgebiet Bildung“ innerhalb der Kreisverwaltung auf. Dr. Christine Schäfer hat im November 2024 die Leitung des Bildungs- und Schulverwaltungsamtes im Landkreis Barnim übernommen. Schon vorher leitete sie die Kreisvolkshochschule. Warum Christine Schäfer und Renate Wolter die „Bildungsinitiative Barnim“ genauso noch einmal starten würden und was es für eine erfolgreiche Bildungsarbeit braucht, verraten sie im Interview.

Kommunen

stärken

Impulse

geben

Vernetzung

fördern

Renate Wolter: Alles begann mit der Erkenntnis, dass erfolgreiche Bildung nicht allein funktioniert. Möglichst viele junge Menschen müssen so aufgestellt sein, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Das funktioniert nur, wenn wir gemeinsam arbeiten. Dafür haben wir einen Ansatz gesucht.

Zuallererst haben wir uns die Daten angeschaut und gesehen, dass der Anteil der Kinder mit Sprachauffälligkeiten sehr hoch ist. Daraufhin haben wir den Fokus auf die Themen „Bildungschancen“, „Bildungsergebnisse verbessern“ und „Attraktivität der Bildungslandschaft“ gelegt. Ziel bei der Gründung der „Bildungsinitiative Barnim“ war, die Bildungseinrichtungen gut auszustatten und inhaltlich auf ein solides Fundament zu stellen. Dazu haben wir ein erstes Konzept geschrieben und durch die Dienstberatung des Landrats bestätigen lassen. Es wurden drei Stellen eingerichtet, deren klarer Auftrag es war, zuständigkeits­übergreifend zu arbeiten. Zeitgleich gab es vom Bund die Ausschreibung zu „Lernen vor Ort“. Gemeinsam mit kobra.net haben wir ein detailliertes Bewerbungskonzept ausgearbeitet und in diesem Zusammenhang erfolgreich acht weitere Stellen beantragt. Wir wurden bundesweit eine von 36 Kommunen, die ihre Zielstellung über „Lernen vor Ort“ realisieren konnte.

Renate Wolter: In einer ausführlichen Bewertung haben wir dargestellt, was gut funktioniert hat und wie der Landkreis konkret profitiert. Unter dem Dach der Kreisvolkshochschule haben wir das Medienzentrum und eine kreiseigene Fortbildungsakademie eingerichtet.
Über die Dienstberatung des Landrats fiel die Entscheidung, fünf Stellen aus kreislichen Mitteln weiter zu finanzieren. So konnten wir die zunächst durch das Programm „Lernen vor Ort“ geschaffenen Strukturen etablieren.

Dr. Christine Schäfer: Ohne die „Bildungsinitiative Barnim“ und „Lernen vor Ort“ wäre es nicht möglich gewesen, so positive Effekte für die Bildung im Landkreis zu erzielen. Wir haben Aufgaben zentral gebündelt und in der Kreisverwaltung einen ganzheitlichen Ansatz etabliert. Wir agieren als Steuerungsstelle und bringen die kreisangehörigen Kommunen, die freien Träger, die Kindergärten und den Hort zusammen.
Als ich etwas später begonnen habe, in der Kreisverwaltung zu arbeiten, hat mich aber noch ein weiterer Ansatz besonders überzeugt. Wenn wir ein Problem erkennen, das wir lösen wollen, schauen wir: Was ist schon vorhanden und wie können wir auf eine qualitativ bessere Art und Weise kooperieren?

Renate Wolter: Die Kommunen stellten schnell fest, welchen Wert sie für sich mitnehmen können. Um zentral zu steuern, haben wir uns geöffnet und gemeinsam mit den Kommunen über ihre Bedarfe gesprochen und diskutiert. Die Zusammenarbeit war von allen Seiten klar gewollt. Die Bildung und Erziehung in der Kindertagesbetreuung und in der Schule sowie die Übergänge von Kita zu Schule bis hinein in die Ausbildung standen stets im Fokus. Im Hinblick auf die gesamte Bildungsbiografie ist ein regelmäßiger Austausch unabdingbar. Bildung ist nicht in wenigen Jahren erledigt, sondern ein langfristiges Projekt. Auch lebenslanges Lernen gehört dazu, vor allem für diejenigen, die im pädagogischen Bereich tätig sind. Mit der Kreisvolkshochschule und unserer Fortbildungsakademie haben wir starke Partner*innen.

Dr. Christine Schäfer: Die Neuausrichtung der Kreisvolkshochschule spielte dabei eine große Rolle. Vor allem, wenn wir über lebenslanges Lernen sprechen und über Nachhaltigkeit. Ich habe die Kreisvolkshochschule viele Jahre geleitet und die Umstrukturierungs­prozesse in Abstimmung mit dem Team um Frau Wolter realisiert.

Renate Wolter: Für die Umstellung haben wir alle Schulleiter*innen zur Besprechung eingeladen und nicht nur das Medien­entwicklungs­konzept des Landkreises vorgestellt, sondern auch über die dazugehörige Infrastruktur und Fortbildungen gesprochen.
Die technische Ausstattung der Schulung war immer unmittelbar mit der Qualifizierung des pädagogischen Personals verbunden. Wir wollten die Schulen auf allen Ebenen gut unterstützen und ihnen methodisch und didaktisch etwas an die Hand geben. Also haben wir selbst die Verantwortung übernommen und die Fortbildungen in Eigeninitiative auf den Weg gebracht. Die Kooperations­vereinbarung mit dem Land hat uns dabei geholfen.

Dr. Christine Schäfer: Die Lehrkräfte benötigten Know-how, um durch eine Verbesserung der Unterrichtsqualität die Bildungs­ergebnisse zu verbessern. Wir haben die Rahmen­bedingungen für modernen Unterricht geschaffen, der über die technischen Mittel verfügt und dank geschulter Lehrkräfte die digitalen Kompetenzen der Schüler*innen im Unterricht stärkt. Für das Programm der Fortbildungsakademie haben wir mit den Schulen offen kommuniziert. Als Partner*innen der Schulen haben wir auf Bedarfe reagiert und Neues entwickelt.

Dr. Christine Schäfer: Wir stecken in einer Übergangsphase. Innerhalb des Hauses gab es einige Personalwechsel und Struktur­veränderungen. Dennoch wollen wir den bestehenden Ansatz verstetigen, immer mit der Rückbesinnung auf die eigentlichen Ziele.
Wir merken, dass sich in den Vergleichsarbeiten die Lese- und Schreibkompetenzen nicht so verbessern, wie erhofft. Die Schulen diskutieren darüber, ob Smartphones im Unterricht genutzt oder ausgeschaltet werden sollen. Und wir werden der Frage nachgehen, wie wir Ganztagsangebote umsetzen können. Darüber hinaus ist eine ganz klare Positionierung, was das Startchancen-Programm angeht, dringend notwendig. Auch aus unserem Landkreis nehmen sieben Schulen am Programm teil. Wir hoffen, dass es dazu bald eine Rahmensetzung geben wird, mit der wir umgehen können.

Renate Wolter: Das Startchancen-Programm ist mit unseren Zielen deckungsgleich. Es gibt Schulen, die jeden Tag darum kämpfen, den laufenden Unterricht abzusichern. Für so eine Schule ist es schwer, zusätzlich auch noch den konzeptionellen Blick zu weiten, weil ihnen die Kapazitäten dafür fehlen. Das macht es ihnen auch mit unseren Aktivitäten schwer. Das Gleiche trifft auf die Kitas zu. Es gibt gute Förderungen, die Defizite kompensieren, aber die Einrichtungen brauchen von vornherein bessere Bedingungen. Neugeschaffenes muss stabil bleiben und langfristig wirken.

Dr. Christine Schäfer: Wir sind stolz auf unsere „Bildungsinitiative Barnim“, deren Konzept vor mehr als 15 Jahren geschrieben wurde und weitblickend gefasst war. Wir würden das auch heute noch so unterschreiben. Stolz sind wir auch darauf, dass es gelungen ist, über die Jahre an den gewählten Themen dran zu bleiben und nicht in Aktionismus zu verfallen. Als Schulträger der weiterführenden Schulen haben wir ein sehr ambitioniertes Schulbauprogramm auf den Weg gebracht. Schulen, die wir heute bauen, werden nicht mehr nach alten
Prinzipien geplant. Wir sind bundesweit gereist und haben uns zum Thema Schulbau ausgetauscht und Inspirationen gefunden.

Renate Wolter: Wir müssen datengestützt vorgehen – auf allen Ebenen. Pädagog*innen benötigen Daten, um die Schwerpunkte im Blick zu haben. Wir müssen weiter so individuell wie möglich denken! Es braucht Sprach und Praxisberatung, die dem Bedarf in jeder Kita und vor allem den Kindern mit ihren unterschiedlichen Interessen und Bedarfen gerecht wird. Nur so können für alle Akteur*innen die richtigen Fortbildungen, Fachtage und Praxismaterialien entwickelt werden. Dazu braucht es einmal mehr eine solide Qualitätsentwicklung und -sicherung. Wichtige Aspekte sind auch die Stärkung von Kooperationen und Netzwerkarbeit: Wir müssen uns weiter die Frage stellen, welche Schwerpunkte es gibt und wer welche Bedarfe hat – und das alles miteinander verbinden. Dabei helfen Vereinbarungen zur Kooperation sehr. Das sind alles lange Prozesse, aber sie lohnen sich.


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