8. Spitzengespräch zum kommunalen Bildungsmanagement

26. Sep. 2024 16:00 – 27. Sep. 2024 16:00 | Schloss & Gut Liebenberg im Löwenberger Land

Bildungschancen und soziale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen stehen in einem besonderen Maße im Zusammenhang mit Armut. Diese Rahmenbedingungen haben Auswirkungen auf die Rolle, Bedeutung und Gestaltung von Bildungseinrichtungen und Bildungsangeboten vor Ort und fordern die Kommunen damit in besonderer Weise. Bei unserem 8. Spitzengespräch am 26. und 27. September 2024 gingen wir ausgehend von aktuellen Förderprogrammen und Investitionen aus den Bereichen Soziales und Bildung folgenden Fragen nach:

  • Wie können materielle und immaterielle Bildungsinvestitionen unter Nutzung von Steuerungs- und Vernetzungspotentialen in den Kommunen gezielt zum Einsatz kommen?
  • Wie lassen sich aktuelle Förderprogramme von den Landkreisen und kreisfreien Städten steuern und nutzen?
  • Wie können Synergien von Investitionen in das Bildungs- und Sozialsystem geschaffen werden?

Armut und Bildung zusammendenken. Eine gemeinsame Philosophie für Teilhabe schaffen.

Gleiche Bildungschancen für alle und Investitionen an den richtigen Stellen sind eine Mammutaufgabe für die Brandenburger Kommunen. Beim 8. Spitzengespräch der Regionalen Entwicklungsagentur Brandenburg zeigt sich, Bildungspolitik und Sozialpolitik müssen zusammengeführt werden, um Armut zu bekämpfen und Bildungserfolge zu sichern. Auch wenn die Herausforderungen unüberwindbar erscheinen, stehen die Chancen gut.

Nicken, zustimmendes Murmeln und interessierte, aber auch kritische Nachfragen bestimmen bei der 8. Auflage des Spitzengesprächs zum Kommunalen Bildungsmanagement in Brandenburg die Atmosphäre. Wo Brandenburger Kommunen die Möglichkeit bekommen, sich mit Forschung, Ministerien und untereinander auszutauschen, wird dafür jede Chance genutzt. Dieses Mal ging es um innovative Bildungsinvestitionen und deren gemeinsame Gestaltung.


Für Armut und deren Folgen sensibilisieren

Prof. Dr. Robert Stölner lehrt an der Ostfalia Hochschule Braunschweig-Wolfenbüttel Sozialpolitik und Sozialwirtschaft. In seinem Impulsvortrag über den Zusammenhang von Armut und Bildung sprach er anhand von nachdenklich stimmenden Statistiken konkrete Empfehlungen aus. Handlungsbedarf sieht er vor allem in Bezug auf die Verbesserung der frühkindlichen Bildung, aber auch bei der Veränderung von Strukturen und Prozessen in der Verwaltung und Politik.

Um Bildungserfolge für alle zu ermöglichen, müssen Armut und Bildung gemeinsam betrachtet und in Lösungsansätzen zusammengeführt werden. „Armut ist die zentrale Ursache für Bildungsbenachteiligung“ so Stölner. Aus der pädagogischen Sicht nennt er folgende Gelingensbedingungen für den Bildungserfolg eines Kindes: Bildungsaspiration, ein positiv geprägtes Selbstkonzept und Motivation, die idealerweise in vorschulischen Programmen bereits geformt werden. Aber Veränderungen sind oft schwierig. Während Verantwortliche in den Kommunen noch über neue Prozesse nachdenken, landet schon die nächste Akte auf dem Schreibtisch.

Diese Dringlichkeit des Handelns setzt sich auch im Vortrag von Dr. Daniela Kroos fort. Sie weiß: „Armut hat lebenslange Folgen sowohl auf Bildung und Teilhabe als auch auf die Gesundheit.“ Die Ansprechpartnerin im Ministerium für Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MSGIV) für das ESF+-Förderprogramm „Stark vor Ort: Soziale Integration von armutsbedrohten Kindern und ihren Familien“ stellt den Anwesenden das Programm mit seinen Zielen und Fristen vor. Sie wirbt zudem für eine größere Armutssensibilisierung in Kita und Schule und sieht vor allem beim Übergang zwischen den beiden Bildungseinrichtungen Stellschrauben. Für die verantwortungsvolle Aufgabe, Bildungsinvestitionen so einzusetzen, dass Armut bekämpft und Bildungserfolge erzielt werden, müssen Bildungspraxis, Verwaltung und Politik zusammenwirken.


Langfristig Wirkung erzielen

Dies bestätigt auch Anne Keilig, Leiterin des Projektteams für das Programm „Startchancen“ im Bundesministerium für Bildung und Forschung: “Wir brauchen eine neue Form der Zusammenarbeit”. Sie erläutert die verschiedenen Säulen und Ziele des Programms und betont dessen strategischen Charakter: „Wir müssen uns die Flexibilität bewahren, Entwicklungen abzuklopfen, um Ziele zu erreichen.“ Startchancen sei ein lernendes Programm, bei dem auch nachgesteuert wird. Stets im Sinne einer Korrektur für die Zukunft.

Die Tragweite der Aufgabe impliziert, dass das Startchancen-Programm nur als Verantwortungsgemeinschaft funktionieren kann. Hier ergänzt Dr. Martin Brendebach, Referatsleiter im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) Brandenburg die Planungen des Landes und greift die Fragen der Kommunen auf. Die Schulträger können aufatmen, denn das Land übernimmt den kommunalen Anteil bei den Investitionen im Rahmen des Startchancen-Programms.

Es muss auch nicht alles im ersten Jahr schon fertig geplant werden. Die Langfristigkeit und das Ziel einer nachhaltigen Wirkung erfordern Sorgfalt bei der Entscheidung und Entwicklung von Angeboten. Dafür braucht es eine Kommunikationsstruktur aller Institutionen und Bildungsakteure und eine Nutzung bereits bestehender Netzwerke.

„Wir sind gemeinsam zum Erfolg verpflichtet,“ hält Anne Keilig fest. Die Beteiligten verstehen das Förderprogramm als Chance für alle – vor allem vor dem Hintergrund der PISA-Studien. Der nach wie vor bestehende Negativtrend bei den Bildungserfolgen kann nur zusammen unterbrochen werden.

Gute-Praxis aus erster Hand

Doch wie erreicht man mit gemeinsamen Anstrengungen konkrete Erfolge? Gute-Praxis-Beispiele wirken hier wie Orientierungsbojen in einem Meer von Herausforderungen. So weiß etwa Holger Mittelstädt, Dezernent für Bildung, Kultur und Sport im Landkreis Oberhavel, dass es Vertrauen in Veränderungsprozesse braucht, die zunächst unmöglich erscheinen.

Der Bildungscampus Birkenwerder ist so ein Projekt, in dem die Verknüpfung von formaler und non-formaler Bildung gelingt und Kinder und Erwachsene gleichermaßen von Bildungsangeboten profitieren. Als ehemaliger Schulleiter versteht er die Bedenken heutiger Brandenburger Schulleiter*innen nur zu gut.

Vorbehalte gegenüber Neuem seien verständlich, können aber überwunden werden. Getreu dem Motto der ehemaligen Brandenburger Ministerin Regine Hildebrandt: „Erzählt mir doch nich, dasset nich jeht!“ Das vom Oberhaveler Dezernenten erläuterte Zusammenspiel von Landkreis, Kommune und privaten Förderern zeige, was auch unter der Beteiligung der Zivilgesellschaft an Erfolgen gefeiert werden kann.

Eine weitere Erfolgsgeschichte wird in Cottbus geschrieben und von Eike Belle, ihrerseits Dezernentin für Soziales, Jugend, Bildung & Integration der Stadt Cottbus, erzählt. Zukunftsgerichtete kommunale Bildungsgestaltung kann hier nicht zuletzt durch das innovative Kooperationsprojekt des Welcome Centers Cottbus gezeigt werden.

Es hat sich seit seiner Gründung im Juli 2023 zu einer Anlaufstelle für alle Menschen entwickelt, die in der Region leben und arbeiten möchten – für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. In Bezug auf Aus- und Weiterbildung, Jobeinstieg und alle Belange des Lebens werden hier Ankommende „von Peitz bis Peking“ beraten. “Um eine Bildungslandschaft aufzubauen ist es wichtig, alle Puzzleteile zusammenzupacken. Wir müssen eine Sozialstruktur aufbauen”, appelliert Eike Belle an die Teilnehmenden.

Bereichernd wirkt auch der Blick über den regionalen Tellerrand: Dank Dr. Jagoda Motowidlo vom Strategischen Bildungsmanagement der Stadt Wolfsburg konnten die Teilnehmenden des Spitzengesprächs Einblicke in die Praxis der Niedersächsischen Kommune gewinnen. In deren kommunaler Verwaltung wurde eine integrierte Planung und Steuerung als Basis für Bildungsinvestitionen etabliert. Dabei spielt der Aufbau der Steuerungsstruktur eine besondere Rolle. Und auch hier gilt, dass alle Beteiligten dieses Vorhaben als notwendigen Veränderungsprozess erkennen und mitgenommen werden sollten.


Alle mitdenken, alle mitnehmen

Der rote Faden des Spitzengespräches wird auch an den Praxisbeispielen sichtbar. Chancen auf Erfolge können nur unter Einbindung, Berücksichtigung und Anstrengung aller erreicht werden. Die Teilnehmenden aus Praxis, Wissenschaft und kommunaler Verwaltung sind sich einig, dass die Grundlage für den Erfolg eine gemeinsame Philosophie für Bildung und Teilhabe ist.

Eine wichtige Gelingensbedingung ist das gemeinsame Planen und Handeln, doch liegt gerade hier die größte Herausforderung. „Wir planen ganz viel, doch noch plant jeder für sich“, schildert Eike Belle ihre Erfahrungen in der Lausitz. Markus Lindner, Projektleitung der Fachstelle Bildung | Entwicklung | Raum | Integration | Demokratie (FaBERID), weist darauf hin, dass Bildungspolitik und Sozialpolitik sich ergänzen sollten – ein Ziel das vielseitiger Abstimmung bedarf. Vor allem das Wissen der kommunalen Akteure sollte stärker in Politik und fachliche Logiken eingebunden werden. Es müssen alle gemeinsam am berühmten Strang ziehen.

Dabei dürfen die eigentlichen Hauptakteure nicht aus dem Blick verloren gehen, gibt Katrin Krumrey zu bedenken. Die Landes-Kinder- und Jugendbeauftragte in Brandenburg weist darauf hin, dass die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bzw. ihrer Familien an Entscheidungen zu Bildungsangeboten berücksichtigt und soweit wie möglich umgesetzt werden sollte. Die Perspektive der Familien unterstützt auch Regina Büttner, Referatsleiterin im MBJS: „Man soll vom Kind ausdenken, die Eltern mitnehmen und den Sozialraum der Kinder berücksichtigen.“ Nur wenn auch diese Gruppen mitgenommen würden, könnten Bildungserfolge erzielt werden. So vielfältig wie die an Bildungserfolgen beteiligten Gruppen, so vielfältig waren auch die Beiträge der Teilnehmenden und Impulsgebenden dieses Spitzengesprächs.


Gemeinsam Lösungen finden

Die Hoffnungen sind groß, die Verbesserungswünsche enorm und die Zielerreichung scheint noch weit entfernt. Bund und Länder stellen mit dem Startchancen-Programm ein einzigartiges finanzielles Paket zur Verfügung, das in den nächsten zehn Jahren die Bildungschancen verbessern soll. Damit diese Bildungsinvestition im Sinne einer Bildungsinnovation wirken kann, müssen Planung und Verwaltung ineinandergreifen und die Schulen und Kommunen ein Team werden. „Man ist mit seinen gewaltigen sozialen Problemen nicht allein“, bemerkt Henryk Wichmann, Dezernent aus dem Landkreis Uckermark.

Damit im Kontext von Bildung, Investitionen und Armut alle mitgenommen werden können, bietet die REAB Brandenburg mit dem Spitzengespräch gemeinsame Denk- und Ideenräume, in denen sich alle Teilnehmenden selbst auch als Lernende begreifen.

Niemand soll Einzelkämpfer bleiben: „Als Regionale Entwicklungsagentur werden wir auch in Zukunft allen engagierten Promotoren der Bildung in Brandenburg die Gelegenheit geben, zusammenzukommen, Handlungsansätze für die Zukunft miteinander zu diskutieren und Lösungsimpulse zu finden“, versichert Dr. Stefanie Hildebrandt, Projektleiterin der REAB.


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Das Spitzengespräch der REAB Brandenburg ist ein seit mehreren Jahren bewährtes Format zum Austausch und Netzwerken für Spitzenvertreter der Brandenburger Landkreise.

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