Standortfaktor Bildung

Attraktive Bildungslandschaften unterstützen die Fachkräftesicherung vor Ort 

Dokumentation des Fachtags 2023

15. Juni 2023 | Seminaris SeeHotel in Potsdam

„Schließt der Untertitel am Ende des Tages mit einem Fragezeichen oder einem Ausrufezeichen?“, mit dieser Fragestellung eröffnete Dr. Julian von Oppen, Leiter der Landeskooperationsstelle Schule-Jugendhilfe, den Fachtag der Transferagentur kommunales Bildungsmanagement Brandenburg.

Im Eröffnungsgespräch verdeutlicht Dr. Stefanie Hildebrandt, Leiterin der Transferagentur Brandenburg, dass der Aufbau einer kommunalen und vernetzten Fachkräftestrategie ein Schlüssel für die Sicherung des Fachkräftebedarfs ist. Denn auch wenn es bundesweite Trends in den Entwicklungen der Fachkräftesituation gibt, zeigen sich regionale Besonderheiten in den Ausgangslagen und Herausforderungen. Bildung spielt in der Fachkräftesicherung eine zentrale Rolle, geht es doch um ausgebildete und weitergebildete Arbeitnehmer*innen, die gesucht werden. Der Ansatz des kommunalen Bildungsmanagements von lebenslangem Lernen bringt sowohl die kommunale Perspektive als auch die Methoden zur Strategieentwicklung, Vernetzung, Koordination, Datenbasierung und Öffentlichkeitsarbeit mit und bringt daher ein sicheres Fundament für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ein. Annika Kuchta ergänzt mit der Vorstellung des Tagesprogramms.

©kobra.net / Magnus John

Dr. Thomas Greiner ©kobra.net / Magnus John

Das Grußwort zur Einstimmung in das Tagesprogramm hält Dr. Thomas Greiner, Bundesministerium für Bildung und Forschung, in dem er unter anderem das zukünftige bundesweite Fachnetzwerk Bildungsmanagement als neue Unterstützungsstruktur für die Qualitätsentwicklung im kommunalen Bildungsmanagement vorstellt. Ziel ist die Weiterentwicklung des datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements hin zu digital-analogen Bildungslandschaften unter Einbezug von Schwerpunktthemen wie unter anderem Fachkräftesicherung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und kulturelle Bildung.

Die Fachkräftesituation in Brandenburg und die damit verbundenen Herausforderungen für die Zukunft

Im ersten Impuls des Tages führt Dr. Holger Seibert in die aktuelle Fachkräftesituation und zukünftige Herausforderungen für Brandenburg ein. Als Mitarbeiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit bringt er Analysen aus vielfältigen Quellen der Forschung zusammen und kann so zeigen, wie die Anzahl der Erwerbspersonen bereits zurückgegangen ist und sich u.a. auf Grund der demografischen Entwicklung Engpässe auf dem Arbeitsmarkt ergeben und im Zeitverlauf verschärft haben. Neben dieser Herausforderung verstärken Großansiedlungen von Unternehmen zum Beispiel in der Lausitz die Engpässe in wachsenden Zukunftsberufen, gleichzeitig sind jedoch auch Engpässe in schrumpfenden Berufen möglich. Die Lage ist komplex und regional differenziert. Eine kommunale Analyse des Arbeitsmarktes und der regionalen Problemlagen erscheint gewinnbringend. Herr Seibert betont abschließend die Chancen und Notwendigkeiten der beruflichen Weiterbildung für weniger lernaffine Personengruppen, für Risikoberufe und Veränderungen im Erwerbsleben.

Dr. Holger Seibert, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)
Die Fachkräftesituation in Brandenburg und die damit verbundenen Herausforderungen für die Zukunft

Dr. Holger Seibert

Dr. Holger Seibert ©kobra.net / Magnus John

Daniel Hagemeier

Daniel Hagemeier ©kobra.net / Magnus John

Fachkräftesicherung im datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement

Daniel Hagemeier, knüpft in seinem Impuls an den vorhergehenden an und betont, dass Fachkräftemangel als nicht gedeckter Bedarf passend qualifizierten Personals zu verstehen ist. Somit spielt Bildung im Sinne der Qualifizierung im Rahmen von Aus- und Weiterbildung für das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage eine große Rolle. Dabei kann Kommune auf lokaler Ebene einen Einfluss auf unterschiedliche Bildungsphasen nehmen und gestaltend wirken. Fachkräftesicherung im datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement gelingt, indem mit Hilfe einer Datengrundlage eine transparente Gesprächsgrundlage geschaffen wird, Kooperationen themenspezifisch ausgebaut und verstetigt werden und gemeinsam Maßnahmen entwickelt und erprobt werden.

Als Koordinator der wissenschaftlichen Begleitung der Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement und Mitarbeiter am Lehrstuhl Wirtschafts- und Sozialpädagogik an der Universität Paderborn zog Daniel Hagemeier die Verbindungslinien zwischen der Fachkräftesicherung und der Methode des datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements.

Daniel Hagemeier, Universität Paderborn
Fachkräftesicherung im datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement

Panel 1 – Beruf. Bildung. Zukunft. Unterstützt berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung die Fachkräftesicherung vor Ort?

Nachhaltiges Handeln gilt als zentraler Schritt zu einer zukunftsgerichteten Kommune, dabei kann die kommunale Bildungsgestaltung diesen Entwicklungsprozess begleiten. Dr. Christian Michaelis gibt einen Einblick in die Chancen und Herausforderung in der beruflichen Bildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) und zeigt auf, wie sich künftig Kompetenzanforderung sowie Standardberufsbildpositionen verändern. Dabei ist die systematische Förderung von nachhaltigkeitsrelevanten Kompetenzen des Berufsbildungspersonals ein wichtiger Baustein.

Dr. Christian Michaelis, Georg-August-Universität Göttingen
Herausforderungen und Chancen einer BBNE aus wissenschaftlicher Perspektive

Dr. Andreas Slopinski

Dr. Andreas Slopinski ©kobra.net / Magnus John

Dr. Christian Michaelis vor einer Powerpointfolie

Dr. Christian Michaelis ©kobra.net / Magnus John

Dr. Andreas Slopinski betont, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung eine Gemeinschaftsaufgabe ist und es nachhaltige Lernorte braucht, die strukturell und kulturell Nachhaltigkeit ausstrahlen. Im Forschungsprojekt InnoNE konnte gezeigt werden, dass nachhaltigkeitsorientiere Innovationskompetenz die nachhaltige Transformation und das Umdenken in der Arbeitswelt unterstützt und dabei insbesondere Fachwissen und nachhaltigkeitsorientierte Überzeugungen zusammenkommen.

Dr. Andreas Slopinski, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Praxisorientierte Forschung in der BBNE – lessons learned

In der Diskussion wurde thematisiert, dass das Zusammenwirken aller und Kooperationen wichtig für die Umsetzung in die Praxis sind. Damit dies gelingt, braucht es eine koordinierende Stelle, klare Zuständigkeiten, eine strategische Implementierung von Nachhaltigkeit und Kooperationen über die kommunale Verwaltung hinaus. Ansätze sind unter anderem die Fort- und Weiterbildung des Ausbildungspersonals und Lehrkräfte, ein zukunftsgerichteter Kompetenzerwerb innerhalb der Ausbildung sowie eine strukturelle Verankerung von BNE in der kommunalen Bildungsgestaltung. Kommune ist Gestalterin von einer (Berufs-) Bildung für nachhaltige Entwicklung und auch Vorbild für Veränderungsprozesse.

Panel 2 – Fachkräfte. Integration. Willkommen. ​Wie können Kommunen Integration, Bildung und Fachkräftesicherung zusammendenken?

Joana Marta Sommer

Joana Marta Sommer ©kobra.net / Magnus John

Das Info-Café für Frauen mit Flucht- und Migrationsgeschichte verfolgt einen niedrigschwelligen und aufsuchenden Ansatz. Primäres Ziel ist die Information über Rechte der Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, sekundäres die Einmündung in Arbeit. Dyana Mieske-Borchers erläutert, wie das Info-Café generationenübergreifend wirkt und die beratenen Frauen vermehrt Wert darauflegen, dass Ihre Kinder eine gute Bildung erfahren und möglichst gute Chancen auf dem Weg in den Beruf haben. Die Vernetzung von freien Trägern, dem Landkreis, kreisangehörigen Kommunen, Vereinen und Verbänden sind gemeinsam mit der Öffentlichkeitsarbeit und der Kooperation von Jobcenter, Landkreis, Kreisstadt und Agentur für Arbeit Erfolgsfaktoren für das Angebot.

Dyana Mieske-Borchers, Landkreis Celle
Info Café für Frauen mit Flucht und Migrationshintergrund

Ohne sie geht nichts mehr. Arbeitskraftpotenziale von Migrant*innen zur Sicherung der Arbeitskräftebedarfe in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern“ lautet der Titel von Joana Marta Sommers Impuls. Sie zeigt, dass Migrant*innen und Geflüchtete einen zunehmend wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten, da sie häufiger in Engpassberufen arbeiten und Ausbildungen in Engpassberufen antreten als deutsche Staatsangehörige. Um Potenziale von Migrant*innen und Geflüchteten gezielt unterstützen zu können, sollten die Zielgruppen differenziert betrachtet werden und ein Augenmerk auf die Berufsorientierung und -vorbereitung, den Spracherwerb und betriebliche Unterstützungsangebote gelegt werden.

Joana Marta Sommer, Friedrich-Ebert-Stiftung​
Ohne Sie geht nichts mehr – Arbeitskraftpotenziale von Migrant*innen zur Sicherung der Arbeitskräftebedarfe in Brandenburg und MV

Dyana Mieske-Borchers ©kobra.net / Magnus John

In der Diskussion wurde deutlich, dass Integration keine Einbahnstraße ist. Integrationsleistungen müssen auch von der Aufnahmegesellschaft erbracht werden, z.B. durch die Weiterqualifizierung der Akteur*innen vor Ort und die kritische Reflexion der eigenen Perspektive. Das System (Ausbildung/Arbeitsmarktzugang) in Deutschland ist sehr starr und muss angesichts des Fachkräftemangels flexibler für individuelle Lösungen werden. Damit das Fachkräftepotenzial speziell von Migrant*innen entwickelt werden kann, muss die Perspektive der Menschen in den Vordergrund gestellt werden.

Panel 3 – Identität. Zugehörigkeit. Lebensqualität. Welche Chancen stecken in kultureller Bildung für die regionale Entwicklung?​

Dr. Luise Fischer ©kobra.net / Magnus John

Antje Materna, Referentin für Bildung und Kooperation, stellte heraus, dass kulturelle Bildung kein richtig oder falsch kennt, nicht an Themen oder Orte gebunden ist und aktivierend wirkt. Damit hat dieser Bildungsbereich einige Besonderheiten, die in die kommunale Bildungslandschaft gewinnbringend einfließen können. Für die Bildungsstrukturen in der Kommune entstehen Potenziale unter anderem in der Ganztagskooperation, der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Trägern. Dabei passt die Methode datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement zu den Herausforderungen für die kulturelle Bildung insbesondere – aber nicht ausschließlich – im ländlichen Raum.

Antje Materna, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V.
Kulturelle Bildung und Bildungslandschaften – Perspektiven für die Regionalentwicklung

In Panel 3 zeigte Dr. Luise Fischer von der Universität Leipzig aktuelle Aktivitäten des Bundes in der Förderung kultureller Bildung insbesondere in ländlichen Räumen und deren Erforschung auf. Dabei sollen gleichwertige Lebensbedingungen gefördert werden. Mit einem breiten Kulturverständnis, das von örtlichen Karnevalsvereinen bis hin zum Ballett ein großes Spektrum an Aktivitäten zur Auseinandersetzung mit dem Selbst und der Umwelt umfasst, wird mittlerweile gearbeitet. Kulturelle Bildung ist dabei gewinnbringen für die Identifikation mit der Region, aber auch im Umgang und Aushalten von Unsicherheiten und Veränderungen.

Dr. Luise Fischer, Universität Leipzig
Potenziale und Gelingensbedingungen kultureller Bildung in ländlichen Räumen

Antje Materna ©kobra.net / Magnus John

In der Diskussion betonten die Panelteilnehmenden, dass es auch im ländlichen Raum viele Akteure der kulturellen Bildung gibt. Allerdings sind deren Ressourcen für Vernetzung und Kooperationen häufig klein, es braucht daher jemanden, der die Moderation und Koordination der Zusammenarbeit übernimmt. An dieser Stelle können Bildungsbüros der Landkreise und kreisfreien Städte aktiv werden.

Podiumsdiskussion

In der Podiumsdiskussion unter der Fragestellung „Wie sieht die attraktive Bildungslandschaft der Zukunft aus?“​ moderiert von Gerhard Mahnken diskutierten

Daniel Hagemeier, Universität Paderborn​

Michael Koch, Dezernent für Soziales, Gesundheit, Jugend, Bildung und Kultur, Landkreis Spree-Neiße​

Sarah Grützmacher, Fachbereichsleitung Politik, Gesellschaft, Umwelt und Kultur der VHS Rostock​

Antje Materna, Bundesverband Kulturelle Kinder- und Jugendbildung.

über die Chancen und Potenziale der Methode datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement (DKBM).

©kobra.net / Magnus John

©kobra.net / Magnus John

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Abschluss

Abgerundet wurde der Tag mit einem Grußwort von Steven Brandt, Leiter der Abteilung 4 Digitale Schule, Lehrerbildung, öffentliche und freie Schulträger, lebenslanges Lernen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport.

Am Ende des Tages setzt Dr. Stefanie Hildebrandt das Ausrufezeichen hinter dem Titel des Fachtags! Attraktive Bildungslandschaften sind ein harter Standortfaktor für die kommunale und wirtschaftliche Entwicklung – und insbesondere für das lebenslange Lernen der Menschen vor Ort. Dabei können kommunale Bildungsbüros in der Zusammenarbeit mit Akteuren aus den Themenfeldern Fachkräftesicherung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, Integration und Kulturelle Bildung eine zentrale Rolle in der Koordination der Aktivitäten, der Organisation der Kooperation und der Vernetzung von Akteuren einnehmen.

Steven Brandt ©kobra.net / Magnus John

Dr. Stefanie Hildebrandt ©kobra.net / Magnus John